Die Köche
"Nicht lange nach unserer Ankunft im Lager wurden Internierte aus einem kleinen Lager, das aufgelöst worden war, in das unsere verbracht. Alsbald fingen sie an, sich über die schlechte Zubereitung des Essens zu beschweren und ihren Mitgefangenen, die die vielbeneideten Posten in der Küche innehatten, vorzuwerfen, dass sie sie nicht gut ausfüllten. Darob große Entrüstung bei diesen, die Köche von Beruf waren und aus den Küchen der feinsten Hotels und Restaurants von Paris den Weg nach Garaison angetreten hatten.
Die Sache kam vor den Direktor. Als er die Rebellen frug, wer von ihnen Koch wäre, stellte sich heraus, dass es einen solchen unter ihnen nicht gab. Ihr Anführer war Schuster und die anderen hatten ebenfalls andere Berufe. In ihrem früheren Lager aber hatten sie sich auf das Kochen verlegt und behaupteten, die Kunst ergründet zu haben, Speise in Massen auf ebenso schmackhafte Weise zuzubereiten wie in kleinen Mengen.
In salomonischer Weisheit bestimmte der Direktor, dass sie während vierzehn Tagen probeweise die Küche übernehmen sollten. Würden sie es besser machen als die anderen, so behielten sie sie. Andernfalls aber würden sie als Ruhestörer eingesperrt. Gleich am ersten Tag bewiesen sie mit Kartoffeln und Kraut, dass sie nicht zuviel behauptet hatten. Jeder folgende war ein neuer Triumph. Also wurden die Nichtköche zu Köchen ernannt und die Berufsköche aus der Küche verwiesen. Als ich den Schuster frug, worin ihr Geheimnis bestünde, antwortete er mir: "Man muss mancherlei wissen, aber die Hauptsache ist, dass man mit Liebe und Sorgfalt kocht." (Albert Schweitzer)
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