Der Gesamttext
Aristoteles: Nikomachische Ethik
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Buch IV, 14 - Teil 2
"Soll man nun, ob ein Satiriker gut ist, danach bestimmen, ob sein Witz so ist, wie es einem Freigearteten wohl ansteht, oder ob er den Betroffenen nicht verstimmt, ja ihn sogar erfreut? Oder wären, jedenfalls bei letzterer Bestimmung, die Grenzen fliessend, da doch dem einen dies, dem anderen jenes unangenehm oder angenehm ist? Was er anzuhören bereit ist, dürfte ähnliche Probleme bieten. Denn Satire, die er als Zuhörer erträglich findet, bringt er wohl auch selbst vor. Er wird sich also nicht jede satirische Bemerkung erlauben, denn Satire bedeutet in gewisser Weise ein Herunterziehen, die Gesetzgeber aber verbieten, gewisse Dinge herabzuziehen. Sie hätten es bei manchen Formen der Satire vielleicht auch so machen sollen.
Der feine und großzügige Mensch wird sich also, wie wir es beschrieben haben, benehmen: er ist sich gleichsam selbst Gesetz. Auf diese Weise ist also das Wesen des Mannes bestimmt, der sich an die Mitte hält, mag man ihn nun als gesellschaftlich sicher oder als gewandt bezeichnen. Der Hanswurst aber kann sein Bedürfnis, Witze zu reissen, nicht unterdrücken. Er verschont weder sich noch die anderen, wenn er die Gesellschaft zum Lachen bringen kann. Er sagt Dinge, die der Feine nicht über die Lippen brächte, ja, die er unter Umständen nicht einmal hören möchte. Der Holzklotz wiederum ist für solche Unterhaltung untauglich.
Er trägt nichts dazu bei und macht zu allem ein saures Gesicht. Die Erfahrung lehrt aber, dass die Menschen Erholung und Kurzweil im tätigen Leben notwendig brauchen. Das Einhalten der Mitte im gesellschaftlichen Leben zeigt sich also in drei Formen, die wir beschrieben haben. Sie beziehen sich alle auf unser Reden und Tun im Verkehr mit dem Mitbürger. Die Unterschiede aber bestehen in folgendem: die eine bezieht sich auf die Aufrichtigkeit, die beiden anderen sind auf das Lustvolle bezogen. Von diesen, die auf die Lust bezogen sind, zeigt sich die eine in der Kurzweil, die andere in den sonstigen Beziehungen des Gemeinschaftslebens."